
Krankenversicherung für Selbstständige: Gesetzliche vs. private Optionen
Als Selbstständige:r stehst du vor zahlreichen Herausforderungen – eine davon ist die richtige Wahl deiner Krankenversicherung. Die Entscheidung zwischen gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) ist komplex und hat weitreichende Auswirkungen auf deine finanzielle Situation und gesundheitliche Absicherung. In diesem Artikel erfährst du, welche Optionen dir als Selbstständige:r zur Verfügung stehen, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Systeme bieten und welche Faktoren bei deiner Entscheidung eine wichtige Rolle spielen sollten.
Eines vorab: Es gibt keine pauschale „beste“ Lösung – was für dich optimal ist, hängt von deiner individuellen Lebenssituation, deinem Gesundheitszustand, deinem Einkommen und deinen zukünftigen Plänen ab.
[[IMAGE:1:Eine selbstständige Person sitzt an einem Schreibtisch und vergleicht auf einem Laptop Dokumente zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, neben ihr liegen Rechnungen und ein Taschenrechner]]
Grundlagen der Krankenversicherung für Selbstständige
Bevor du eine Entscheidung treffen kannst, solltest du die grundlegenden Regeln und Rahmenbedingungen kennen, die für Selbstständige in Deutschland gelten.
Versicherungspflicht und rechtliche Rahmenbedingungen
In Deutschland besteht seit 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Als Selbstständige:r bedeutet das: Du musst krankenversichert sein – entweder gesetzlich oder privat. Allerdings hast du im Gegensatz zu den meisten Angestellten in vielen Fällen die freie Wahl zwischen beiden Systemen.
Doch es gibt Ausnahmen. Für bestimmte Selbstständigengruppen gilt eine Versicherungspflicht in der GKV:
- Landwirte
- Selbstständige mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten
- Selbstständige Hebammen und Entbindungspfleger
- Bestimmte Künstler:innen und Publizist:innen (über die Künstlersozialkasse)
Als ehemals angestellte Person, die in die Selbstständigkeit wechselt, gilt: Warst du vorher gesetzlich versichert, kannst du in der GKV bleiben und freiwilliges Mitglied werden – oder unter bestimmten Voraussetzungen in die PKV wechseln.
Als freiwilliges Mitglied in der GKV zahlst du den vollen Beitragssatz selbst (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil), hast aber den gleichen Leistungsanspruch wie Pflichtversicherte.
Besonderheiten für bestimmte Berufsgruppen
Je nach Berufsgruppe gelten spezielle Regelungen, die deine Wahlmöglichkeiten und Beiträge beeinflussen können:
Künstler:innen und Publizist:innen (KSK)
Wenn du als Künstler:in oder Publizist:in tätig bist und über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert werden kannst, profitierst du von einem erheblichen Vorteil: Die KSK übernimmt – ähnlich wie ein Arbeitgeber – etwa die Hälfte deiner Krankenversicherungsbeiträge. Voraussetzung ist, dass du hauptberuflich künstlerisch oder publizistisch tätig bist und ein Mindesteinkommen von 3.900 Euro im Jahr erzielst.
Handwerker:innen
Für Handwerker:innen gelten besondere Regelungen bezüglich der Versicherungspflicht. Wer in die Handwerksrolle eingetragen ist und selbstständig arbeitet, kann unter bestimmten Voraussetzungen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sein – insbesondere während der ersten 18 Jahre der Selbstständigkeit.
Freie Berufe
Angehörige der freien Berufe wie Rechtsanwält:innen, Steuerberater:innen, Ärzt:innen oder Architekt:innen haben in der Regel die freie Wahl zwischen GKV und PKV. Für manche gibt es zudem berufsständische Versorgungswerke, die andere Versicherungsaspekte (insbesondere die Altersvorsorge) abdecken.
Berufsgruppe | GKV-Pflicht | Wahlfreiheit GKV/PKV | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Freiberufler:innen | Nein | Ja | Freie Wahl zwischen GKV und PKV |
Künstler:innen/Publizist:innen | Ja (bei KSK-Mitgliedschaft) | Eingeschränkt | Zuschuss durch KSK (ca. 50%) |
Handwerker:innen | Teilweise | Teilweise | Pflicht in ersten 18 Jahren möglich |
Landwirt:innen | Ja | Nein | Landwirtschaftliche Krankenkasse |
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für Selbstständige
Die gesetzliche Krankenversicherung ist für viele Selbstständige die vertrautere Option, da die meisten vor ihrer Selbstständigkeit als Angestellte in der GKV versichert waren. Doch als Selbstständige:r gelten andere Regeln.
Beitragsberechnung in der GKV
Anders als bei Angestellten, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in die Beiträge teilen, musst du als Selbstständige:r den vollen Beitrag alleine tragen. Dieser wird basierend auf deinem Einkommen berechnet, wobei folgende Aspekte wichtig sind:
- Beitragssatz: Der allgemeine Beitragssatz liegt bei etwa 14,6% plus einem kassenindividuellen Zusatzbeitrag (durchschnittlich ca. 1,6%).
- Beitragsbemessungsgrenze: Für 2024 liegt diese bei 5.175 Euro monatlich. Einkommen darüber werden nicht zur Beitragsberechnung herangezogen.
- Mindestbemessungsgrenze: Selbst bei geringem Einkommen wird ein Mindesteinkommen von 1.096,67 Euro (2024) angenommen.
Für die Beitragsberechnung wird dein gesamtes Einkommen herangezogen – nicht nur aus selbstständiger Tätigkeit, sondern auch aus Vermietung, Kapitalanlagen oder anderen Einkommensquellen.
Dies ist die Obergrenze, bis zu der Einkommen für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen wird. Verdienst du mehr, zahlst du trotzdem nur Beiträge bis zu dieser Grenze.
Für Selbstständige mit niedrigem Einkommen kann die GKV teuer werden, da selbst bei geringem Verdienst der Mindestbeitrag fällig wird. Es gibt jedoch einen ermäßigten Beitragssatz für Selbstständige mit geringem Einkommen, wenn du nachweisen kannst, dass du weniger als die reguläre Mindestbemessungsgrenze verdienst.
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung
Die GKV bietet eine solide Grundversorgung für alle Versicherten, unabhängig von Alter, Gesundheitszustand oder Einkommen:
- Ambulante und stationäre ärztliche Behandlungen
- Arzneimittel und Hilfsmittel (mit Zuzahlungen)
- Vorsorgeuntersuchungen
- Rehabilitation
- Zahnbehandlungen und teilweise Zahnersatz
Wichtig für Selbstständige zu wissen: Der Krankengeldanspruch ist in der GKV nicht automatisch enthalten! Du musst entweder einen Wahltarif mit Krankengeld abschließen oder eine private Krankentagegeldversicherung ergänzen. Ohne diese Absicherung erhältst du bei längerer Krankheit keine finanzielle Unterstützung, was existenzbedrohend werden kann.
Ein großer Vorteil der GKV ist die beitragsfreie Familienversicherung. Ehegatt:innen und Kinder können unter bestimmten Voraussetzungen ohne zusätzliche Kosten mitversichert werden.
[[IMAGE:2:Eine Familie mit zwei Kindern steht vor einem Arztpraxis-Schild, während im Hintergrund die Logos einer gesetzlichen und einer privaten Krankenversicherung zu sehen sind, symbolisch für die Entscheidung zwischen den beiden Systemen]]
Die private Krankenversicherung (PKV) für Selbstständige
Die private Krankenversicherung folgt einem grundlegend anderen Prinzip als die GKV. Während in der GKV das Solidarprinzip gilt, basiert die PKV auf dem Äquivalenzprinzip: Deine Beiträge richten sich nach deinem individuellen Risiko und dem gewählten Leistungsumfang.
Tarifgestaltung und Beitragsberechnung
In der PKV bestimmen folgende Faktoren deine Beitragshöhe:
- Eintrittsalter (je jünger, desto günstiger)
- Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss (Vorerkrankungen können zu Risikozuschlägen führen)
- Gewählter Leistungsumfang (je umfassender, desto teurer)
- Selbstbehalt (je höher der Selbstbehalt, desto niedriger der Beitrag)
Im Gegensatz zur GKV spielt dein Einkommen keine Rolle für die Beitragshöhe. Dies kann für gut verdienende Selbstständige ein erheblicher Vorteil sein, da die Beiträge ab einem bestimmten Einkommensniveau deutlich niedriger sein können als in der GKV.
Ein wichtiges Element der PKV sind die Alterungsrückstellungen. Ein Teil deines Beitrags wird angespart, um die im Alter steigenden Gesundheitskosten abzufedern. Dadurch sollen extreme Beitragssteigerungen im Alter vermieden werden – dennoch steigen die Beiträge über die Jahre an, meist deutlich über der Inflationsrate.
Leistungsumfang und Vorteile der PKV
Die PKV bietet in der Regel umfangreichere Leistungen als die GKV, wobei du deinen Tarif individuell nach deinen Bedürfnissen zusammenstellen kannst:
- Behandlung durch Privatärzt:innen und Chefärzt:innen
- Kürzere Wartezeiten bei Fachärzt:innen
- Ein- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus
- Höhere Erstattungssätze für Zahnersatz und Brillen
- Alternative Heilmethoden und Heilpraktiker:innenbehandlungen
- Weltweiter Versicherungsschutz
Für Selbstständige besonders wichtig: Die PKV bietet in der Regel von Anfang an ein Krankentagegeld, das du individuell nach deinem Einkommensbedarf festlegen kannst. Dies sichert dich finanziell ab, falls du krankheitsbedingt nicht arbeiten kannst.
Entscheidungskriterien: GKV oder PKV?
Die Entscheidung zwischen GKV und PKV ist komplex und sollte wohlüberlegt sein, da ein späterer Wechsel unter Umständen schwierig oder unmöglich sein kann. Hier sind die wichtigsten Faktoren, die du berücksichtigen solltest:
Finanzieller Vergleich beider Systeme
Bei der finanziellen Bewertung musst du sowohl die kurzfristige als auch die langfristige Perspektive betrachten:
Kurzfristige Kostenbetrachtung:
Für junge, gesunde Selbstständige mit hohem Einkommen ist die PKV oft günstiger. Bei einem monatlichen Einkommen über 4.000 Euro können die PKV-Beiträge deutlich unter denen der GKV liegen.
Langfristige Kostenentwicklung:
Im Alter steigen die PKV-Beiträge in der Regel stärker an als in der GKV. Trotz Alterungsrückstellungen musst du mit regelmäßigen Beitragsanpassungen rechnen, die dein Budget im Rentenalter belasten können.
Die steuerliche Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge spielt ebenfalls eine Rolle. Als Selbstständige:r kannst du sowohl GKV- als auch PKV-Beiträge als Sonderausgaben geltend machen, was deine Steuerlast reduziert.
Kostenaspekt | Gesetzliche KV (GKV) | Private KV (PKV) |
---|---|---|
Beitragsberechnung | Einkommensabhängig | Risikoabhängig (Alter, Gesundheit, Leistungen) |
Kostenentwicklung im Alter | Moderat, an Einkommen gekoppelt | Oft stärker steigend trotz Alterungsrückstellungen |
Familienversicherung | Beitragsfrei möglich | Jede Person zahlt eigenen Beitrag |
Bei Einkommensrückgang | Beiträge sinken entsprechend | Beiträge bleiben unverändert |
Persönliche Faktoren für die Entscheidung
Neben den finanziellen Aspekten spielen diese persönlichen Faktoren eine wichtige Rolle:
- Alter und Gesundheitszustand: Je älter du bist oder je mehr Vorerkrankungen du hast, desto höher sind die PKV-Beiträge. Ab einem gewissen Alter oder bei bestimmten Erkrankungen wird die PKV möglicherweise unbezahlbar oder du wirst gar nicht mehr aufgenommen.
- Familienplanung: Planst du eine Familie, ist die GKV mit der beitragsfreien Familienversicherung oft günstiger. In der PKV muss jedes Familienmitglied einen eigenen Beitrag zahlen.
- Einkommensstabilität: Ist dein Einkommen als Selbstständige:r stark schwankend, passt sich der GKV-Beitrag an. In der PKV bleiben die Beiträge auch bei Einkommensrückgang gleich.
- Wechselabsichten: Planst du, später wieder in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln, solltest du die Bedingungen für eine Rückkehr in die GKV beachten.
Wechselmöglichkeiten und besondere Situationen
Ein einmal getroffene Entscheidung für GKV oder PKV lässt sich nicht beliebig revidieren. Es gibt klare Regeln, wann ein Wechsel möglich ist.
Wechsel zwischen GKV und PKV
Der Wechsel von der GKV in die PKV ist für Selbstständige grundsätzlich möglich. Du musst lediglich die übliche Gesundheitsprüfung bestehen.
Der Wechsel von der PKV zurück in die GKV ist deutlich schwieriger und an strenge Voraussetzungen geknüpft:
- Du wirst versicherungspflichtig, z.B. durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze (64.350 Euro Jahresbrutto in 2024)
- Du bist unter 55 Jahre alt (danach ist ein Wechsel fast unmöglich)
Selbst wenn du deine Selbstständigkeit aufgibst und Arbeitslosengeld beziehst, besteht kein automatischer Anspruch auf Rückkehr in die GKV.
Absicherung im Alter und bei Einkommensveränderungen
Mit Blick auf das Alter solltest du besonders diese Aspekte beachten:
In der PKV:
Im Rentenalter sinkt in der Regel dein Einkommen, während die PKV-Beiträge tendenziell steigen. Bei finanziellen Engpässen gibt es folgende Optionen:
- Wechsel in einen günstigeren Tarif beim gleichen Versicherer (mit reduzierten Leistungen)
- Erhöhung des Selbstbehalts
- Im Notfall: Wechsel in den Basistarif (Leistungen ähnlich der GKV, Beitrag maximal so hoch wie GKV-Höchstbeitrag)
In der GKV:
Die Beiträge sind im Rentenalter an dein Renteneinkommen und ggf. weitere Einkünfte gekoppelt. Bei niedrigerer Rente zahlst du entsprechend weniger.
Bei vorübergehenden finanziellen Engpässen während der Selbstständigkeit bietet die GKV mehr Flexibilität, da die Beiträge mit dem Einkommen sinken. In der PKV musst du die vollen Beiträge weiterzahlen, selbst wenn dein Geschäft schlecht läuft oder vorübergehend pausiert.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung gehört zu den wichtigsten finanziellen und gesundheitlichen Weichenstellungen für Selbstständige. Sie sollte niemals überstürzt getroffen werden.
Individuelle Bedarfsanalyse durchführen
Folgende Schritte helfen dir bei einer fundierten Entscheidung:
- Persönliche Bestandsaufnahme: Analysiere deine aktuelle Lebenssituation, dein Alter, deinen Gesundheitszustand, deine Familiensituation und deine beruflichen Pläne.
- Finanzielle Berechnung: Vergleiche konkrete Angebote beider Systeme für deine individuelle Situation, sowohl kurzfristig als auch mit Blick auf die nächsten 10-20 Jahre.
- Professionelle Beratung: Lass dich unabhängig beraten, idealerweise von einem Versicherungsberater, der nach Honorar und nicht nach Provision arbeitet.
- Regelmäßige Überprüfung: Prüfe alle 2-3 Jahre, ob deine gewählte Versicherungsform noch zu deiner Lebens- und Einkommenssituation passt.
Bedenke: Es gibt keine pauschale „richtige“ Lösung. Die gesetzliche Krankenversicherung bietet Planungssicherheit, Solidarität und eine gute Grundversorgung mit beitragsfreier Familienversicherung. Die private Krankenversicherung kann vor allem für jüngere, gesunde, gut verdienende Selbstständige ohne Familie wirtschaftlich attraktiver sein und bietet oft umfangreichere Leistungen.
Letztlich ist die beste Krankenversicherung für dich als Selbstständige:r jene, die zu deiner individuellen Situation passt und dir die Sicherheit gibt, dich voll auf deine beruflichen Ziele konzentrieren zu können, ohne dir Sorgen um deine gesundheitliche Absicherung machen zu müssen.
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